Dressurpferd auf Kandare geritten
Dressurpferd auf Kandare geritten © Benkert

Sitz- und Freiübungen

Viele Reiter haben ein und dasselbe Problem: Sie verzweifeln am Reitersitz und schaffen es nicht, ruhig im Sattel sitzen zu bleiben. Stattdessen kippen sie nach vorne über, ziehen die Beine nach oben oder halten sich wortwörtlich an den Zügeln fest – vom feinen Reiten und zügelunabhängigen Sitz fehlt leider jede Spur.
Für die Gleichgewichtsschulung und Förderung der Losgelassenheit findet man viele Übungen, die mit entsprechender Anleitung auf dem Pferd z.B. in Entspannungspausen durchgeführt werden können. So zum Beispiel:

  • Vor- und Zurückneigen des Oberkörpers („Pferdehals umarmen"),
  • seitliches Herunterneigen des Oberkörpers,
  • mit dem Gesäß auf dem Sattel nach rechts und links herüberrutschen,
  • An- bzw. Hochziehen der Knie nach vorn,
  • Dehnen der Oberschenkel durch Anwinkeln der Knie und Hochziehen der Füße,
  • rechte/linke Hand geht in Richtung linker/rechter Fuß,
  • Armkreisen,
  • Drehen des Oberkörpers nach rechts und links,
  • vorsichtiges Drehen des Kopfes nach rechts und links.
Sitzübungen zur Schulung des Reiters
Sitzübungen zur Schulung des Reiters © Victoria Rubly

Doch auch das regelmäßigste Durchführen von Sitzübungen kann nicht verbergen, dass hinter einem schlechten Reitersitz meist noch weitere, ganz unterschiedliche Ursachen stecken: Von mangelnder Fitness und fehlender Beweglichkeit, über eine ungleichmäßige Atmung oder das Anspannen der falschen Muskeln, bis hin zur Angst, runter zu fallen, oder einem nicht passenden Sattel.

Sitzprobleme lösen & Reitersitz verbessern- Tipps für einen zügelunabhängigen Sitz!

Tipp 1: Verbessere deine Fitness und eigene Beweglichkeit

Der Grund, warum viele Reiter Sitzprobleme haben, ist ganz einfach: Sie tun nicht genug für ihre eigene Beweglichkeit! Auch wenn Reiten bereits Sport ist, solltest du neben deinen Stunden im Sattel weiteren Sport betreiben. Zum einen, um deine eigene Fitness aufrecht zu erhalten, und zum anderen, um deine Beweglichkeit zu verbessern. Schließlich verlangen wir von unseren Pferden, fleißig und locker zu laufen, arbeiten selbst aber nicht an unserem Körper und unserer eigenen Geschmeidigkeit. Dabei können dir andere Sportarten helfen, nicht nur besser im Sattel zu sitzen, sondern allgemein feiner zu reiten. Denn: Wer seinen eigenen Körper gezielt trainiert, bekommt neben mehr Kraft und Ausdauer auch ein besseres Körpergefühl. Schließlich macht ein gutes Körpergefühl dich automatisch zu einem besseren Reiter!

Und das sind die besten Zusatzsportarten für dich als Reiter:
1.Für eine bessere Allgemein-Fitness:


  • Joggen: sorgt für mehr Ausdauer, stärkt insbesondere deine Rumpfmuskulatur und verbessert deine Atmung
  • Volleyball: verbessert deine Reaktionszeit, trainiert mehrere Muskelgruppen und macht dich zu einem richtigen Teamplayer
  • Inline-Skating: kräftigt deine Po und Beinmuskeln und sorgt für mehr Ausdauer

2. Für mehr Beweglichkeit:


  • Tanzen: verbessert deine Balance und deine Koordinationsfähigkeit und macht dein Becken flexibler
  • Yoga und Pilates: kräftigt deine Körpermitte, verbessert dein Körpergefühl und deine Atmung, erhöht deine Konzentrationsfähigkeit, lehrt dich Ruhe und Gelassenheit

Tipp 2: Entspann dich!

Oftmals kommt es zu Sitzproblemen, weil Reiter einfach nicht entspannt sind. Kennst du das? Du verkrampfst förmlich und das hat unschöne Nebeneffekte: Du ziehst deine Beine nach oben, deine Hände, gar die kompletten Arme sind ganz unruhig, du fällst nach vorne über oder plumpst deinem Pferd unangenehm in den Rücken. Dahinter steckt meistens die Angst, runter zu fallen und sich böse zu verletzen. Gleichzeitig ist es aber auch ein Zeichen für eine Tatsache, die keiner gerne hört: Du hast nur wenig Vertrauen zu deinem Pferd.
Und das ist ein riesen Problem, denn: Ohne Vertrauen kann aus dir und deinem Pferd kein echtes Team wachsen und du wirst wohl niemals in der Lage sein, fein über deine Hilfen mit deinem Pferd zu kommunizieren. Vertrauen ist und bleibt das A und O in der Zusammenarbeit mit dem Partner Pferd. Wenn du deinem Pferd kein Vertrauen schenkst, wird es auch dir nicht vertrauen und erst recht nicht folgen.

Bodenarbeit hilft und sorgt für mehr Vertrauen
Damit du wieder Vertrauen in dein Pferd fasst – und umgekehrt dein Pferd auch in dich – solltest du Bodenarbeit in deinen Trainingsalltag einbauen. Bodenarbeit klärt nicht nur die Führungsbeziehung zwischen dir und deinem Pferd, sondern sorgt auch für eine tolle Abwechslung. Verschiedene Übungen, vom richtigen Führen, übers Kopfsenken bis hin zum Tempo bestimmen über die Atmung helfen dir, die Kommunikation mit deinem Pferd zu verbessern und so euer gegenseitiges Vertrauen zu stärken. Sobald sich die Beziehung zwischen dir und deinem Pferd bessert und du neues Vertrauen gewonnen hast, wirst du auch entspannter im Sattel sitzen und deine Sitzprobleme werden wie von selbst verschwinden!

Das Pferd kommt vertrauensvoll zum Menschen
Das Pferd kommt vertrauensvoll zum Menschen © Benkert

Tipp 3: Nimm Sitzschulungen an der Longe

Jeder Reiter sollte sie hin und wieder nehmen: Sitzschulungen an der Longe. Bereits zwei bis drei Sitzschulungen können ein echtes Wunder bewirken! Und wenn du nun denkst, das Unterricht an der Longe nur etwas für Anfänger ist, hast du dich mächtig getäuscht: Mehrere Runden auf dem Zirkel zu reiten und sich dabei nur auf den eigenen Sitz zu konzentrieren, ist viel anstrengender, als du womöglich denkst. Dein Reitlehrer schaut nun wirklich nur auf dich und deinen Sitz und entdeckt auf einmal noch mehr Fehler, als je zuvor. Aber lass dich davon nicht entmutigen, sondern sieh es als eine Chance, deinen Sitz in kürzester Zeit um ein Vielfaches zu verbessern. Dabei hilft es auch, die Zügel ganz wegzulassen, die Steigbügel zu überschlagen oder die Augen zu schließen und die Bewegung deines Pferdes ganz und gar auf dich wirken zu lassen.

Sitzlonge
Sitzlonge © Rubly

Tipp 4: Lass dich beim Reiten filmen

Oftmals fühlt es sich auf dem Pferderücken ganz anders an, als es vom Boden aus aussieht. Dir ist das bestimmt auch schon einmal passiert: Dein Reitlehrer versucht dir zu erklären, was genau du falsch machst, aber du verstehst einfach nicht, was er genau meint. Hier hilft es, wenn du dich beim Reiten filmen lässt und dir das Video anschließend gemeinsam mit deinem Trainer anschaust. So kann er dir anhand des Videos besser zeigen, wo deine Schwächen liegen und worauf du dich beim Training konzentrieren solltest. Dadurch fällt es dir wiederum viel einfacher, die Tipps deines Reitlehrers umzusetzen und dich zu verbessern. Bereits ein Video von dir beim Reiten kann dir deine Augen öffnen und deine Sitzprobleme für immer in Luft auflösen!
Sei allerdings gewarnt: Oftmals ist es wie ein kleiner Schock, wenn man sich das erste Mal selbst beim Reiten zusieht. Du vergleichst dein Video schnell mit den vielen Bildern von Grand-Prix-Reitern, die dir so im Kopf schwirren, und bist dann höchstwahrscheinlich total frustriert, weil es bei dir ganz und gar nicht so perfekt aussieht. Lass dich aber auch hier nicht entmutigen: Schau dir das Video am besten mehrmals an und achte nicht nur darauf, was du schlecht machst, sondern auch darauf, was du gut machst. So bekommst du neue Motivation und verbesserst dich automatisch schneller!

Tipp 5: Reite ab und zu ohne Sattel

Um die Bewegung deines Pferdes deutlicher zu spüren und ein besseres Sitzgefühl zu bekommen, hilft es, ab und zu ohne Sattel zu reiten. Allerdings solltest du dich nicht auf den nackten Pferderücken setzen. Am besten nutzt du hierfür ein gutes Reitpad. Zudem solltest du nicht zu oft ohne Sattel reiten, da dein Gewicht ohne Sattel nicht verteilt wird, sondern punktuell auf den Rücken deines Pferdes drückt und deinem Pferd so auf Dauer Schmerzen.

Tipp 6: Geh öfters ins Gelände ausreiten

Die meisten Reiter gehen mit ihrem Pferd viel zu selten ausreiten, dabei bietet das Gelände viele Vorteile: Es sorgt für Abwechslung im Trainingsalltag, wirkt motivierend und bietet tolle Möglichkeiten, dein Pferd zu gymnastizieren. Und das ist noch nicht alles: Es kann dir auch dabei helfen, deinen Sitz zu verbessern! Wenn du dich jetzt fragst warum – hier ist die Antwort: Durch die unterschiedlichen Bodenverhältnisse lernst du dich beim Ausreiten besser im Sattel zu balancieren. Schließlich ist der Boden nicht wie in der Halle oder auf dem Reitplatz eben, sondern geht mal hoch und mal runter.
Du kennst das sicherlich: Du reitest aus und nach dem Warmreiten im Schritt trabst du das erste Mal an und es fühlt sich furchtbar an. Auf einmal kannst du weder richtig Leichtraben noch im Trab aussitzen und auch der erste Galopp fühlt sich mehr wie ein holpriger Zickzacklauf, als ein gemütliches Geschaukel an. Das liegt zum einen daran, dass dein Pferd nicht ganz losgelassen läuft, zum anderen aber eben auch daran, dass die Bodenverhältnisse im Gelände ganz anders sind.

Ausritt ins Gelände
Ausritt ins Gelände © Rubly

Tipp 7: Arbeite mit inneren Bildern

Manchmal verstehst du einfach nicht, was dein Reitlehrer genau von dir will bis er dir ein bildliches Beispiel gibt: “Du bist ein Baum und deine Beine strecken sich wie Wurzeln tief in den Boden rein” oder “An deinen Füßen befinden sich schwere Klötze aus Beton, die dich tief in den Boden ziehen” – kennst du diese Bilder? Solche Bilder können dir ebenfalls helfen, deine Sitzprobleme zu lösen und für einen zügelunabhängigeren Reitersitz zu sorgen. Denn manchmal will das Bein einfach nicht länger werden, das Becken einfach nicht locker mitschwingen und der Absatz deines Fußes nicht nach unten schauen. Genau dann helfen symbolische Bilder, die es einfacher machen, den Körper genauso zu formen, dass er locker und dennoch aktiv mit der Bewegung deines Pferdes mitschwingt.

Tipp 8: Achte auf deine Atmung

Eine weitere Ursache für Sitzprobleme kann die falsche Atmung sein, die gerne auch mal mit den ersten beiden Punkten einhergeht. Denn wenn du verspannt bist oder dich aus Angst verkrampfst, wird auch deine Atmung blockiert. Diese Blockade lähmt wiederum deine gesamte Beweglichkeit – ein Teufelskreis! Lerne also, bewusst zu atmen. Dies funktioniert am besten, indem du überhaupt erst einmal auf deine Atmung achtest. Ist diese flach und ungleichmäßig, oder atmest du ruhig und tief ein? Eine ruhige und tiefe Atmung führt automatisch zur Entspannung, zu mehr Konzentration und einem besseren Gleichgewicht.
All dies verhilft dir letztendlich zu einem besseren und zügelunabhängigeren Sitz! Am einfachsten ist es, wenn du zunächst im Schritt versuchst, mehr auf deine Atmung zu achten. Du wirst merken, wie schnell sich vor allem dein Becken entspannt, sobald du tiefer und gleichmäßig ein- und wieder ausatmest. Ebenfalls toll klappt es im Galopp, sofern dein Pferd korrekt und in einem klaren Dreitakt galoppiert. Dieser Dreitakt hilft dir nämlich dabei, dich noch genauer auf deine Atmung zu konzentrieren, sodass du automatisch besser im Sattel sitzt.

Tipp 9: Spanne deine Bauchmuskeln an!

Viele denken, beim Reiten werden vor allem die Po- und Beinmuskeln genutzt – das stimmt allerdings nicht ganz. Die Muskeln, die beim Reiten am meisten arbeiten sollten, sind deine Bauchmuskeln. Wenn du am Ende einer Reitstunde keinen Bauchmuskelkater hast, dann hast du dich entweder nicht genug angestrengt oder wirklich etwas falsch gemacht.
Denn was für den richtigen Reitersitz sorgt und dafür, dass dein Becken locker mitschwingt, deine Beine ruhig am Bauch deines Pferdes liegen und dein Oberkörper und deine Arme nicht wie wild zappeln, sind deine Bauchmuskeln – insbesondere die oberen.


Tipp 10: Sorge für mehr Losgelassenheit bei deinem Pferd

Wenn du dir sicher bist, dass dein schlechter Reitersitz nicht mit dir und deiner Körperhaltung, sondern vielmehr mit der Bewegung deines Pferdes zu tun haben, dann solltest du an der Losgelassenheit deines Pferdes arbeiten. Es kann gut sein, dass dein Pferd entweder noch nicht den notwendigen Ausbildungsstand erreicht hat, um losgelassen zu laufen und dich sanft auf seinem Rücken zu tragen, oder dass es sogar Schmerzen hat, die zu Verspannungen im Rücken führen und einen ruhigen Sitz geradezu unmöglich machen.

Aktiviere die Hinterhand deines Pferdes
Sollte dein Pferd gerade erst mit der Ausbildung unterm Sattel begonnen haben, ist es wichtig, dass du Übungen reitest, die die Hinterhand deines Pferdes aktivieren. Diese ist der Motor deines Pferdes und sorgt für die nötige Schub- und Tragkraft. Sie lässt dein Pferd also einerseits vorwärts gehen und andererseits Gewicht aufnehmen. Nur so kann dein Pferd den richtigen Schwung entwickeln und losgelassen laufen. Dazu zählen Übungen wie Übergänge und Tempowechsel, aber auch Springgymnastik oder Cavaletti-Arbeit.


Trainiere dein Pferd vermehrt vom Boden aus
Zudem hilft es zunächst, dein Pferd vermehrt vom Boden aus zu trainieren. So kannst du dir anschauen, wie sich dein Pferd ohne dein zusätzliches Reitergewicht bewegt und wo die Ursache seiner fehlenden Losgelassenheit liegt. Du kannst es zum Beispiel am Kappzaum longieren oder dich in der Freiheitsdressur probieren.


Leichte Spring-Anforderung über ein Kreuz zur Gymnastik
Leichte Spring-Anforderung über ein Kreuz zur Gymnastik © Benkert

Tipp 11: Lass die Gesundheit deines Pferdes untersuchen

Solltest du bemerken, dass mit dem Bewegungsparat deines Pferdes etwas nicht stimmt oder dass sich die Bewegung deines Pferdes nicht verbessert und es weiterhin verspannt läuft, solltest du einen Tierarzt oder Pferdephysiotherapeuten einschalten. Verspannungen sind immer ein Zeichen für Unwohlsein und können teilweise mit starken Schmerzen für dein Pferd einhergehen. Es muss nicht einmal zwingend der Bewegungsapart sein, manchmal kann auch ein zu lang gewordener Zahn oder ein falsch bearbeiteter Huf für Verspannungen und Schmerzen sorgen. Um Schlimmeres zu vermeiden, solltest du immer frühzeitig eingreifen und deinen Tierarzt besser einmal zu viel, als einmal zu wenig in den Stall kommen lassen.


Überprüfung der Rückenmuskulatur
Überprüfung der Rückenmuskulatur © Rubly

Tipp 12: Kontrollierte, ob der Sattel wirklich zu dir und deinem Pferd passt!

Leider sparen viele Reiter genau am falschen Ende: Am Sattel! Denn dieser kann gerne einmal mehrere tausend Euro kosten – Geld, das viele Pferdebesitzer nur ungern ausgeben wollen. Stattdessen wird jedes Jahr eine neue Schabracke, neue Bandagen und ein neues Reitoutfit gekauft – am besten alles in einheitlicher Farbe wie zum Beispiel in Pink. Dabei ist das A und O der Ausrüstung der passende Sattel! Hier ist es zuallererst einmal wichtig, dass dieser deinem Pferd passt. Was aber gerne vergessen oder gar ignoriert wird, ist, dass der Sattel auch zu dir passen muss. Neben der Reitweise spielt hier natürlich deine Größe, dein Gewicht und deine allgemeine Körperhaltung eine Rolle. Sollte dein Pferd also nicht losgelassen laufen und solltest du enorme Schwierigkeiten haben, ruhig im Sattel sitzen zu bleiben, kann dies womöglich daran liegen, dass der Sattel entweder deinem Pferd nicht richtig passt oder für dich nicht optimal ist oder – im schlimmsten Fall – weder zu dir, noch zu deinem Pferd passt. Im gleichen Zug solltest du auch die Trense kontrollieren lassen, denn auch die kann für Verspannungen sorgen, sollte sie deinem Pferd nicht richtig passen.

Wie du siehst, gibt es für Sitzprobleme genauso viele Lösungen, wie es Ursachen gibt. Wichtig ist, dass du ehrlich zu dir selbst bist: Sitzt du unruhig im Sattel, weil du unbeweglich und nicht wirklich fit bist? Hast du vielleicht Angst und verkrampfst dich? Oder liegt es womöglich daran, dass dein Pferd nicht losgelassen läuft und Schmerzen hat? Passt der Sattel tatsächlich zu deinem Pferd und auch zu dir?
Nur wenn du das Problem annimmst, kannst du das Problem auch lösen.

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