Olympische Spiele in Tokyo ohne Zuschauer

Auktionspferd
Auktionspferd © Burghof Brodhecker/Nau Fotografie

Warendorf (fn-press).
Noch rund zwei Wochen, dann beginnen in Tokio die Olympischen Spiele (23. Juli bis 8. August). Die Vorfreude bei den deutschen Reiter*innen ist groß – trotz einiger Fragezeichen, die noch immer mit dem Megaevent in Japan verbunden sind. Eines ist jetzt schon klar, diese Spiele werden in vielerlei Hinsicht anders sein als ihre Vorgänger – zum Beispiel sind keinerlei Zuschauer zugelassen. Im Rahmen einer Online-Pressekonferenz sprachen Teilnehmer*innen, Trainer*innen und DOKR-Geschäftsführer Dr. Dennis Peiler über die aktuelle Situation und die Erwartungen.


„Diese Spiele werden ganz anders“. Darüber sind sich alle Betroffenen einig. Zwar erwarten die Aktiven sportliche Topbedingungen, allerdings finden die Spiele weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor Ort statt. „Milliarden Menschen werden zwar vor den Bildschirmen die Olympischen Spiele miterleben, aber nur sehr wenige werden vor Ort dabei sein können“, sagte Dennis Peiler. So sind keine ausländischen Gäste und heimischen Zuschauer zugelassen. „Das ist bedauernswert, vor allem für die Aktiven, für die Reiterei aber auch für alle anderen Sportarten. Gleichzeitig ist es für sie wichtig, dass die Spiele stattfinden, viele haben Jahrzehnte darauf hingearbeitet und nur einmal im Leben die Chance dazu.“


„Ohne Zuschauer sind Olympische Spiele ein ganz anderes Event als wir es uns vorgestellt haben. Meine Erinnerungen an meine ersten Spiele in Rio sind sehr gut, wir konnten uns die anderen Sportarten anschauen und es war ein großes sportliches Fest. In Tokio wird das anders sein, daher ist auch die Vorfreude eine andere“, sagte der Weltranglisten-Erste im Springreiten, Daniel Deußer. „Wir versuchen unser Bestes zu geben, auch wenn keine Zuschauer vor Ort sind, dann für die Zuschauer, die von zuhause aus zusehen.“


Und Isabell Werth sagt: „Ich blicke mit großer und uneingeschränkter Vorfreude zu den Olympischen Spielen, aber wir fahren mit einem ungewissen Gefühl nach Tokio, weil wir nicht wissen, was uns erwartet. Wir wissen, dass einige Informationen gegebenenfalls etwas gefiltert zu uns kommen.“ Und weiter: „Wir wollen uns gut vorbereiten, heile rüber kommen und hoffen dann, dass sich das Willkommen vor Ort positiver gestaltet als es im Moment erscheint und wir uns dort wohl fühlen.“


Anders als in London oder Rio, wo die Aktiven im Olympischen Dorf untergebracht waren, hat sich das deutsche Team in Tokio in einem Hotel einquartiert. „Das hat vorrangig logistische Gründe. Für unser Team bedeutet das deutlich kürzere Wege und wir sind in der Lage, die Reiter und ihr Umfeld an einem Standort unterzubringen. Zudem sind sowieso alle Nationen dazu aufgefordert, sich nur in ihrer ‚Bubble‘ aufzuhalten und ihre Kontakte auf ein Minimum zu beschränken“, sagte Dr. Peiler.


Die sportlichen Bedingungen lassen dagegen kaum Wünsche offen. „Der Equestrian Park in Tokio bietet hervorragende sportliche Voraussetzungen und ist – anders als das zum Beispiel in London der Fall war – als dauerhaftes Trainingszentrum für den japanischen Pferdesport konzipiert“, so Dr. Peiler. Gut gerüstet ist man hier auch für die hohen Temperaturen. „Die Hitze ist sicher ein Thema, aber die Regenerationsmöglichkeiten sind super. Es ist alles klimatisiert, was es ja sonst so nicht gibt. Sonst ist es ja oft 24 Stunden am Tag richtig heiß“, erklärte Vielseitigkeitsreiter Michael Jung, der als Titelverteidiger nach Tokio reist und die Gegebenheiten vor Ort bereits vom Testevent 2019 her kennt.


Auch Springreiter Daniel Deußer hat wenig Bedenken, sowohl was Reiter als auch Pferde betrifft: „Grundsätzlich ist Killer Queen ein sehr energievolles Pferd. Sie ist bereits in Doha und Wellington bei hohen Temperaturen gegangen und gut mit dem Klima klargekommen. Auch Reisen war bisher kein Problem, daher denke ich, dass sie auch mit den Bedingungen in Tokio gut klarkommen wird, aber alles andere bleibt abzuwarten“, sagte er. „Wir sind für Pferde und Menschen gut vorbereitet, die Springen sind immer nachts, tagsüber ist vieles klimatisiert, wir können uns in Hallen bewegen und können so mit der Hitze gut umgehen.“


Etliches hat sich auch am Modus der Olympischen Spiele geändert, beginnend mit der Tatsache, dass nur noch drei Reiter*innen eine Mannschaft bilden und somit das Streichergebnis fehlt. Eine Änderung, mit der die FN und die Reiter*innen alles andere als glücklich sind. Verändert hat sich aber auch der Ablauf in den einzelnen Disziplinen. In der Dressur dient der Grand Prix als Qualifikation für Mannschaft und Kür und dazu, die Startreihenfolge für den Grand Prix Special zu ermitteln, in dem dann die Mannschaftsmedaillen vergeben werden. In der Vielseitigkeit werden für das Ausscheiden in einer Teilprüfung Strafpunkte vergeben. Unter Umständen kann danach der Reservereiter – ebenfalls gegen Strafpunkte – eingewechselt werden. „Wir haben ein neues System, das keine Fehler verzeiht. Wir wollen nicht hinfahren, um mitzumischen, sondern um ein Topergebnis zu erzielen. Dazu müssen wir in allen drei Disziplinen angreifen, damit wir eine Chance haben“, sagte Bundestrainer Hans Melzer.


Im Springen geht die Einzelwertung dem Teamspringen voraus, wobei dafür dann auch ein Reservereiter zum Einsatz kommen kann. „Der neue Modus ist einer Herausforderung. Dass zuerst die Einzelwertung stattfindet, macht natürlich das Teambuildung nicht leichter. Der Modus ohne Streichergebnis führt dazu, dass noch mehr die Tagesform entscheidet“, sagte Bundestrainer Otto Becker. „Maurice Tebbel ist eine klare Verstärkung für die Teamwertung, um im Nationenpreis dann nochmal zulegen zu können“, erklärt Becker seine Gedanken zur Mannschaftsaufstellung.


Trotz der veränderten Bedingungen sind die Erwartungen an den Pferdesport hoch – sowohl die eigenen Erwartungen, als auch die von außen. „Zu Beginn des olympischen Zyklusses haben wir uns mit dem DOSB und dem BMI auf einen Korridor von drei bis fünf Medaillen verständigt, wobei der Fokus vor allem auf den Mannschaftsmedaillen liegt“, sagte Dr. Peiler.


Nach den Olympischen Spielen finden vom 24. August bis 5. September die Paralympics in Tokio statt. Letztmals wird Britta Bando als Equipechefin das deutsche Team begleiten, für die WM- und EM-Teilnehmerin Regine Mispelkamp (Geldern) wären es dagegen die ersten Paralympics, sollte sie nominiert werden. „Die Paralympics sind ein Lebenstraum. Erstmal ist es ein tolles Ereignis, dass man überhaupt die Chance hat mitmachen zu können und sich für Deutschland zu präsentieren“, sagte die an Multipler Sklerose erkrankte Reiterin. Auch Britta Bando hat sich für Tokio einiges vorgenommen, hat sie doch noch nach Rotterdam eine kleine Rechnung offen. „Bei der EM ist es für uns nicht so optimal gelaufen. Und es wäre schön, wenn ich das nochmal ausbügeln könnte. Aber wir haben teilweise neue Reiter oder auch neue Pferde auf der Longlist. Wir haben uns bestmöglich vorbereitet, haben - soweit es möglich war – viele internationale Turniere besucht, wir haben zusätzliche Lehrgänge in Warendorf gemacht. Für den letzten Erfolg zählen natürlich auch ein bisschen Glück und die Tagesform“, sagte sie zu ihren Erwartungen. FN/Hb/lau/mly/

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