Das Pferd loben und positiv bestärken
Lob für das Pferd © Benkert

Die Beziehung zwischen Reiter und Pferd

Der Umgang mit dem Pferd und das Reiten selbst verlangen vom Reiter, sich ständig in die Empfindungen und Reaktionen des Pferdes hineinzuversetzen. So kann er versuchen, aus der Perspektive des Pferdes zu beurteilen, ob sein Verhalten angemessen oder die Hilfengebung für das Pferd „verständlich“ ist.

In der Ausbildung - gerade bei jüngeren Pferden – kann der Herdentrieb aber auch positiv genutzt werden, indem ältere, erfahrene Pferde als Führpferde, z.B. beim Ritt ins Gelände oder bei den ersten Sprüngen eingesetzt werden. Weil das Reiten in einer Gruppe nicht immer möglich und auch nicht immer gewollt ist, muss ein Pferd an Situationen, in denen es ohne andere Artgenossen ist, gewöhnt werden. Das gilt besonders für den Transport, für das Einzelreiten und für den Turniereinsatz.
Weil Pferde grundsätzlich gutmütig, zutraulich und auch neugierig sind, ist die Kontaktaufnahme durch einen Menschen in der Regel unproblematisch und kann unbefangen erfolgen. Er muss sich jedoch bei allem was er tut, stets ruhig bewegen. Schnelle Bewegungen können zum Erschrecken und auch zu Abwehrreaktionen führen.

Wie ist die Beziehung zwischen Pferd und Reiter aus der Sicht des Pferdes einzuordnen?
Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein Pferd einen Menschen wirklich als „Leittier" akzeptiert. Das Bedürfnis nach Sicherheit und der Vertrauensaufbau durch positive Erfahrungen können jedoch den entsprechenden Menschen dem Pferd gegenüber in eine ähnliche Position bringen. Dem Pferd Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln, gehört deshalb zu den wichtig in Aufgaben eines Reiters.
Zu einem guten Verhältnis gehört auch, dass beide Respekt voreinander haben. Damit verbunden ist auch die Frage der Rangordnung. Die Rolle des Ranghöheren, die der Reiter einnehmen muss, wird nicht durch eine Auseinandersetzung, sondern durch selbstbewusstes sicheres Auftreten und Handeln bestimmt. Manche Pferde, häufig bedingt durch unsicheres, inkonsequentes oder unangemessenes Verhalten des Reiters, versuchen ihre Rangordnung innerhalb der Beziehung Mensch/Pferd abzuklären. Nur ein ruhig, bestimmt und konsequent wirkender und handelnder Mensch wird vom Pferd als ranghöheres Lebewesen akzeptiert.

Die Beziehung zwischen Reiter und Pferd
Die Beziehung zwischen Reiter und Pferd © Fam. Rubly

Pferdegerechtes Handeln

Der Reiter soll sich jedoch bei aller Konsequenz positiv auf das Pferd einlassen und sich bemühen, es für die gewünschte Leistung zu motivieren, indem er es ihm so genehm wie möglich macht. Härte oder Gewalt machen den Reiter zum „Aggressor“ vor dem das Pferd zu fliehen oder gegen den es sich zu wehren versucht. Unsicheres und halbherziges Verhalten des Reiters führt ebenfalls zu Unsicherheit beim Pferd.
Akzeptiert das Pferd den Reiter vertrauensvoll als den Ranghöheren, dann erhöht diese Konstellation die Aufnahmebereitschaft des Pferdes. Sie wirkt so als positiver Verstärker für die Einwirkungsmöglichkeiten des Reiters auf sein Pferd.
Lob mit der Stimme, Streicheln, Kraulen oder Klopfen am Hals gibt dem Pferd im richtigen Moment die Bestätigung, dass alles in Ordnung ist. Ständiges Loben ohne Bezug zu einem bestimmten Verhalten des Pferdes verfehlt seine Wirkung.

Ebenso ist es bei der Korrektur in Problemsituationen. Jede Reaktion im Sinne einer „Strafe" nach menschlichem Verständnis ist eindeutig abzulehnen, weil man bei einem Pferd nicht davon ausgehen kann, dass es wie ein Mensch abstrakt denken kann. Es kann beispielsweise eine heftige Reaktion des Reiters nach einem Springparcours sicher nicht in Verbindung mit Springfehlern bringen, die beim nächsten Mal vermieden werden sollen. Es wird vielmehr dieses Erlebnis in noch schlechterer Erinnerung behalten. Nur wenn ein bestimmtes Verhalten eines Pferdes unmittelbare für das Pferd nachvollziehbare Konsequenzen hat, wird es sein Verhalten ändern. Der Reiter muss den Anspruch haben, sein Pferd so positiv zu unterstützen, dass es nicht zu einem „Fehlverhalten" des Pferdes kommt.

Das Pferd loben und positiv bestärken
Lob für das Pferd © Benkert

Deshalb ist es so wichtig, dass Reiter bei einer Unstimmigkeit mit dem Pferd innerlich ruhig bleiben. Emotionale Ausbrüche des Reiters können ein Pferd nur verunsichern.
Am besten lernt das Pferd durch positive Erlebnisse und positive Verstärkung.
Gefühlvolles Handeln einerseits und Konsequenz im Umgang andererseits machen den Menschen für das Pferd „berechenbar". Das gibt dem Pferd Sicherheit und Vertrauen. Pferdegerechtes Handeln erfordert deshalb ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration im Umgang und bei der Arbeit mit Pferden.

Kommunikation zwischen Reiter und Pferd

Zur Kommunikation mit dem Pferd stehen dem Reiter die verschiedenen Hilfen und unterstützend die Stimme zur Verfügung. Bei der Stimme kommt es besonders auf die Tonlage an, also auf die „Stimmung", die beruhigend oder auffordernd vermittelt wird. Ein wichtiges Kommunikationsmittel des Menschen im Umgang mit Pferden ist auch die Körpersprache. So wie das Pferd auf feinste Signale im Verhalten von Artgenossen reagiert, so nimmt es auch die Bewegungen und die Körperhaltung des Menschen wahr. Dessen sollte sich ein Reiter beim Umgang mit seinem Pferd bewusst sein. Um die Körpersprache positiv z.B. schon in der Pferdebox, beim Führen oder beim Longieren einsetzen zu können, ist es wichtig, von erfahrenen „Pferdeleuten" zu lernen. Die Neigung von Pferden an Gewohnheiten festzuhalten, kann der Reiter sich im täglichen Umgang, aber auch bei der Reitausbildung zunutze machen, indem er bestimmte Abläufe immer in der gleichen Weise durchführt, also gewissermaßen standardisiert. Ist der Reiter in der Erziehung des Pferdes nicht genügend konsequent, verfestigen sich bei Pferden allerdings auch ungewollte, unangenehme Angewohnheiten.

Das Pferd als Fluchttier

Das natürliche Fluchtverhalten der Pferde muss zunächst akzeptiert werden, es hat sich bis heute nicht grundlegend verändert. Pferde verfügen über unterschiedliche Reizschwellen, die wiederum auch abhängig vom momentanen Gemütszustand sind.
Optische Reize beeinflussen das Verhalten des Pferdes in der Regel stärker als akustische Wahrnehmungen. Geraten Pferde nach einer Schrecksituation in Panik, können sie scheinbar jede Sinneswahrnehmung ausschalten und zur Gefahrenquelle für sich und ihr Umfeld werden. Dieses gilt auch für den Umgang im Stall und auf der Stallgasse. Für den Reiter machen sich Meide- und Fluchtverhalten des Pferdes in der Neigung zum Scheuen bemerkbar.

Scheuendes Pferd
Scheuendes Pferd © Benkert

Häufig ist für den Reiter schon vor der eigentlichen Reaktion des Pferdes die innerliche Spannung spür- und erkennbar. Dabei ist es zwecklos und unangebracht, das Pferd für das Scheuen zu „strafen", weil damit die Unsicherheit des Pferdes noch verstärkt wird. Vielmehr geben richtiges Einrahmen mit den reiterlichen Hilfen und ruhiges, geduldiges Bekanntmachen mit möglichst vielen neuen Situationen dem Pferd zunehmend Sicherheit und Vertrauen.
Überflüssige, laute Geräusche im Stall und während der Ausbildung sollten einerseits vermieden werden, andererseits können Pferde bis zu einem gewissen Maße auch an sich ändernde Umweltbedingungen gewöhnt werden.


Das Sichtfeld des Pferdes
Besonders beachtenswert ist auch der Unterschied zwischen Mensch und Pferd im Sichtfeld. Das, was der Reiter noch gar nicht registriert hat, z.B. ein Tier im Gebüsch schräg hinter ihm, kann beim Pferd schon ein Erschrecken und ein Fluchtverhalten auslösen. Es kommt deshalb für manchen Reiter völlig überraschend. Wenn ein Pferd in der Ferne etwas sieht, was es nicht einschätzen kann, wird es plötzlich Hals und Kopf weit nach oben nehmen, um einen besseren Überblick zu haben. Bei dieser natürlichen Reaktion muss der Reiter dem Pferd zunächst die Möglichkeit geben, die Situation zu erfassen, bevor er die Arbeit fortsetzt.

Die Sensibilität des Pferdes verlangt einen ruhigen Umgang und gefühlvolles Reiten. Sie ermöglicht aber gleichzeitig die gewünschte feine Einwirkung des Reiters bei der Ausbildung des Pferdes.
Die Beobachtung von Auge, Ohr, Schweif, Schnauben und Schweißbildung kann den Reiter wesentliche Erkenntnisse zur Beurteilung des psychischen Zustandes des Pferdes geben.


  • Das Auge ist der Spiegel der inneren Eigenschaften und der Befindlichkeit des Pferdes. Es kann Aufmerksamkeit, Vertrauen, Misstrauen oder Furcht ausdrücken.
  • Ebenso gibt das Ohrenspiel des Pferdes wichtige Hinweise auf seine Gemütsverfassung. Zurückgelegte, anliegende Ohren drücken immer Missbehagen und Abwehrbereitschaft aus. Ein lebhaftes Ohrenspiel oder aufgestellte, nach vorn gerichtete Ohren sprechen für Aufmerksamkeit und den Willen zum Mitmachen.
  • Das Abschnauben deutet, verbunden mit pendelnder Schweifhaltung, auf gelöste Muskulatur und Entspannung hin. Ein eingeklemmter Schweif lässt demgegenüber eher auf Angst oder Abwehrhaltung schließen. Durch einen hochgestellten Schweif, manchmal verbunden mit kraftvollem Prusten, bringt das Pferd dagegen Spannung und Aufregung zum Ausdruck.
  • Ebenso kann Schweißbildung außer durch Anstrengung auch durch besondere Aufregung entstehen. In der Regel sind dabei erhöhte Herz-, (Puls-) und Atemfrequenz zu beobachten.

Der Reiter muss genügend Zeit, Geduld, Beobachtungsgabe und Interesse aufbringen, um das Verhalten der Pferde richtig erkennen und deuten zu lernen. Nur so kann er das Vertrauen eines Pferdes erwerben, weiß zwischen Angst und Widersetzlichkeit zu unterscheiden und wird sich in Erziehung und Ausbildung sowohl am Boden als auch vom Sattel aus richtig verhalten.

Die Entwicklung des Pferdes (Evolution) hat natürliche Sinneswahrnehmungen und Verhaltensweisen entstehen lassen, die eine wichtige Grundlage für die (klassischen) Ausbildungsprinzipien des Pferdes darstellen.
Pferde unterscheiden sich jedoch in Interieur und Temperament, in Vorlieben, Abneigungen und Veranlagungen. Die Ausführung und die zeitliche Planung betreffend, muss die Bereitschaft vorhanden sein, die verschiedenen Ausbildungsschritte flexibel zu gestalten, um dem einzelnen Pferd mit seinen Besonderheiten gerecht zu werden. Wunschvorstellung jeden Reiters ist es, ein zufriedenes und leistungsbereites Pferd auszubilden. Die dafür notwendige stabile, harmonische Partnerschaft zwischen Mensch und Tier wird durch Sachverstand, Geduld und das Eingehen auf die Psyche eines jeden Pferdes unterstützt und gefestigt.
Ist der Reiter in der Lage, sich in das Pferd und sein Verhalten hinein zu fühlen, kann er nachvollziehen, wie er vom Pferd wahrgenommen wird und welche Handlungsweise in der jeweiligen Situation angemessen ist. Der Reiter muss sich mit seinem Verhalten an der Natur des Pferdes orientieren - nicht an der Natur des Menschen.

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